Bellingcat: Investigativer Bürgerjournalismus

Recherche-Plattform Bellingcat
Recherche-Plattform Bellingcat

Die Recherche-Plattform „Bellingcat“ wurde in der vergangenen Woche mit dem Hanns Joachim Friedrichs-Preis ausgezeichnet. Bellingcat recherchiert keine eigenen Geschichten, sondern macht Factchecking. Angefangen hat der Gründer der Plattform, Eliot Higgins, als im Jahr 2012 immer mehr Videos aus dem syrischen Bürgerkrieg im Internet kursierten, deren Echtheit in Frage stand. Higgins nutzte im Internet verfügbare Quellen und Tools, um die Echtheit der Kriegsvideos zu verifizieren.

Im Jahr 2014 sammelte Higgins, der selbst nicht von Haus aus Journalist ist, über die Crowdfundingplattform Kickstarter Geld und gründete das Bellingcat-Netzwerk. Die Mitstreiter nennen sich selbst „citizen investigative journalists“, also investigative Bürgerjournalisten.

Bellingcat sorgte für Aufsehen, als sie die Umstände des Absturzes des Flugs MH17 über der Ostukraine recherchierten. Die Factchecker glaubten, im Netz Belege dafür gefunden zu haben, dass ein Buk-Raketensystem einen Tag vor dem Absturz von Russland aus durch die von Rebellen kontrollierten Gebiete gefahren sei; am Tag nach dem Absturz sei das gleiche Fahrzeug wiederum mit einer fehlenden Rakete zurück nach Russland gefahren. Die von Bellingcat genutzten Bildanalysemethoden wurden allerdings auch kritisiert, in Deutschland etwa vom Medienjournalisten Stefan Niggemeier.

Bellingcat nutzt für seine Bildanalysen unter anderem das webbasierte Programm „FotoForensics“.

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Investigativ-Chef wechselt in Banken-PR

logo_die_weltDer Leiter der Investigativ-Redaktion der Tageszeitung Die Welt, Jörg Eigendorf, wechselt zum April 2016 die Lager und soll neuer Konzernsprecher der Deutschen Bank werden. Eigendorf hat selbst bereits lange in Frankfurt/Main als Wirtschaftsjournalist gearbeitet, ist also mit den Gegebenheiten im Frankfurter Bankenviertel bestens vertraut. Für die Tageszeitung Die Welt ist das ein herber Verlust, da unter Eigendorf die hauseigene Investigativ-Abteilung deutlich an Format gewonnen hat. Wechsel vom Journalismus in die Public Relations oder Unternehmenskommunikation werden in der Branche stets argwöhnisch beäugt, weil das Diktum verbreitet ist: „Journalisten machen keine PR“. Angesichts des neuen Arbeitgebers Deutsche Bank darf davon ausgegangen werden, dass mit der neuen Positionen erhebliche Gehaltsvorteile im Spiel sind.

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Vorratsdatenspeicherung ist ein Angriff auf Recherchejournalismus

Foto: Pixabay
Foto: Pixabay

Der Bundestag hat am Freitag den umstrittenen Regierungsentwurf für eine neue Vorratsdatenspeicherung durchgewunken:  In der namentlichen Abstimmung haben 404 Abgeordnete für die neue Vorratsdatenspeicherung votiert, 148 waren dagegen bei 7 Enthaltungen. PolitikerInnen der Opposition wie Renate Künast von B’90/Die Grünen werfen der Regierung vor,  „alle in dieser Bundesrepublik zu Verdächtigen“ zu machen. Alle drei, vier Minuten werde von jedem mit einem Handy festgestellt, wo er oder sie sich aufhalte. Dies habe selbst Orwell in 1984 nicht absehen können. Außerdem habe niemand die Frage der Datensicherheit nach Snowden beantwortet. Niemand könne ausschließen, dass etwa Geheimdienste wie die NSA Zugang hätten.

Auch die Journalistenverbände wie z.B. der Deutsche Journalisten Verband (DJV) kritisieren das Gesetz scharf. Es schwächt den Informantenschutz und das Redaktionsgeheimnis. Denn Whistleblower und InformantInnen können sich künftig bei Anrufen oder Kontaktaufnahmen mit Redaktionen nicht mehr sicher sein, ob sie dabei nicht beobachtet und getrackt werden. Das schränkt die Presse- und Informationsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland massiv ein. Medienjournalist und Blogger Richard Gutjahr bezeichnet das Gesetz denn auch  als einen der „größten Eingriffe in die Grundrechte der Bürger seit Bestehen der Bundesrepublik“.

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Anonyme Briefkästen

Foto: M.E./Pixelio
Foto: M.E./Pixelio

In den letzten Jahren sind einige Redaktionen dazu übergegangen, anonyme digitale Briefkästen einzurichten, um Volkes Stimme noch genauer vernehmen und auf diese Weise auf neue Themen stoßen zu können. Denn nicht jeder möchte Dampf ablassen und dabei seinen Namen gedruckt oder im Internet verbreitet sehen. Anonyme Briefkästen funktionieren so, dass die E-Mails über den gesamten Versandweg verschlüsselt sind und auch angehängte Dokumente geheim und sicher in der Redaktion ankommen. Hier einige Redaktionen, die online einen solchen anonymen Briefkasten anbieten:

Handelsblatt Investigative Recherche: https://handelsblatt-recherche.com

MDR: https://mdr-recherche-mailbox.de

Stern Investigativ: https://briefkasten.stern.de

waz Rechercheabteilung: https://upload.derwesten-recherche.org/upload/

Die Zeit: http://www.zeit.de/briefkasten/index.html

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Lektüretipps zum Recherchejournalismus

Bibliothek St. Gallen (Foto: Haarkötter)
Bibliothek St. Gallen (Foto: Haarkötter)

Wer mal ein bisschen schmökern will, was die Geschichte des Recherchejournalismus angeht, der kann hier fündig werden:

Manfred Redelfs (1996): Investigative Reporting in den USA. Strukturen eines Journalismus der Machtkontrolle. Opladen.

Welche Rolle der Journalismus für die politische Meinungsbildung in der Bundesrepublik Deutschland spielte, kann man ganz gut an ihrer Skandalgeschichte nachvollziehen:

Thomas Ramge (2003): Die großen Polit-Skandale: Eine andere Geschichte der Bundesrepublik. Hamburg.

Die Webseite „Europäische Geschichte Online“ (EGO) bietet einen guten historischen Abriss der Journalismusgeschichte von Jürgen Wilke:

http://www.ieg-ego.eu/de/threads/europaeische-medien/journalismus

Sehr schön gemacht und illustriert ist diese Website zur amerikanischen Pressegeschichte im 20. Jahrhundert:

http://hiStory.journalism.ku.edu/1990/1990.shtml

 

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Geburtstage bei der Süddeutschen Zeitung

sueddeutsche_70JahreDie Süddeutsche Zeitung hat in dieser Woche gleich mehrfach Grund zu feiern. Die gedruckte Ausgabe feiert ihren 70. Geburtstag: Eines der Schlachtschiffe des investigativen Recherchenjournalismus in Deutschland  erschien am Samstag, dem 6. Oktober 1945 unter der Lizenz Nr. 1 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung Ost zum Preis von 20 Pfennigen. Eine Sonderausgabe, die auch digital erhältlich ist, lässt die bewegte Geschichte Revue passieren. Auch das digitale Angebot der SZ feiert Jubiläum: Vor 20 Jahren ging die erste Internetseite der Münchener Tageszeitung online. Stefan Plöchinger, der stellvertretende Chefredakteur und Onlinechef, hat die kurze Historie von sz.de aufgeschrieben. SZ-Redakteur Johannes Boie denkt darüber nach, wie die digitale Revolution das Zeitungmachen verändert hat: Die Zeitung als zeitlich abgeschlossenes Produkt wird es nie wieder geben. Stattdessen bilden elektronische Medien im Internet den Strom aus Ereignissen als das ab, was er ist: endlos.

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Christliche Suchmaschinen

ichtysEs gibt gleich mehrere Recherchewerkzeuge im Netz, die versprechen, insbesondere nach kirchlichen Inhalten zu suchen. Ichtys.de ist eine Art christliche Metasuchmaschine: Der Onlinedienst durchsucht neben einem eigenen Index auch die Angebote von feuerflamme.de und chrisnet.de. Letztere Adresse leitet direkt auf die Webseite losung-heute.de weiter. Feuerflamme.de bietet neben einem redaktionellen Webkatalog noch eine Besonderheit, nämlich eine christliche Partnervermittlung. Das größte Angebot christlicher Inhalte vermittelt diomira.de: Es handelt sich hier mehr um ein Webportal, allerdings mit einem umfänglichen Angebot.

Die ehemals recht bekannte christliche Suchmaschine crossbot.de existiert dagegen nicht mehr.

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Welt investigativ

DieWeltWie viele Verlagshäuser und Redaktionen hat auch die Tageszeitung Die Welt eine eigene Investigativ-Redaktion. Im Welt-Investigativ-Blog werden aber nicht nur die eigenen frisch recherchierten Storys angerissen, sondern auch auf spannende Recherchen aus anderen Redaktionen verwiesen. Der besondere Service: Die „Investigativ-Medienschau“, ein täglicher Newsletter, stellt die interessantesten und wichtigsten Investigativrecherchen aus anderen deutschsprachigen Redaktionen und Sendern zusammen und verlinkt nach Möglichkeit zu ihnen. Auf diese Weise kann man gut den Überblick behalten, was gerade in Sachen investigativer Journalismus auf dem Programm steht.

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Offener Haushalt

Bildschirmfoto 2015-07-17 um 18.07.02Wofür gibt der Staat, wofür geben die Kommunen eigentlich Geld aus? Was sind die vielzitierten „finanziellen Spielräume“, die die ebenfalls vielzitierte „öffentliche Hand“ zur Verfügung hat? Auf diese Frage gibt die Website offenerhaushalt.de eine Antwort. Das Projekt, das von der Open Knowledge Foundation betrieben wird, hat die Finanzdaten von Bund, Ländern und Gemeinden recherchiert und stellt sie sehr übersichtlich in Kacheloptik dar. Auf diese Weise dient der „Offene Haushalt“ selbst als Ausgangspunkt für weitergehende Recherchen. Die Macher gehen dabei davon aus, dass gerade die Komplexität von Finanzangelegenheiten es den Bürger/innen häufig schwierig macht, die damit verbundenen politischen Fragen zu durchschauen:

Die zentrale Aufgabe eines Parlaments – sei es der Bundestag, die Landesparlamente oder ein Stadtrat – ist die Aufstellung und Debatte eines Haushalts. Dieser zentrale, politische Prozess entscheidet, welche Tätigkeiten der Staat ausführen kann – und welche Leistungen nicht bereitgestellt werden können. Doch Haushalte werden von vielen Bürgern als unverständliche, technische Dokumente verstanden – ein wesentlicher Aspekt politischer Arbeit bleibt damit für viele verschlossen.

Die Visualisierung von „Offener Haushalt“ ist gekonnt und übersichtlich. Wünschenswert wäre aus Sicht des Recherchenjournalisten nur noch, selbst kompletten Zugriff auf die zugrundeliegenden strukturierten Daten zu erhalten. Aber dazu dienen die anderen Websites der Foundation, insbesondere FragdenStaat und OffeneDaten.

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ARD-„Story“ über Whistleblower

Bildschirmfoto 2015-06-30 um 15.43.50In der Reihe „Die Story im Ersten“ war gerade ein Porträt des deutschen IT-Spezialisten und Whistleblowers Lutz Otte zu sehen, der eine CD_Rom mit den Schweizer Daten deutscher Steuersünder an die Behörden verkauft hat.

Der Mann war ein kleines Rad in einem großen Getriebe – und hat alles mächtig durcheinander gewirbelt. IT-Techniker Lutz Otte arbeitete im Rechenzentrum einer Schweizer Bank. Dort bemerkte er, dass zahlreiche Steuersünder aus Deutschland unter den Bankkunden waren.

Otte wurde in der Schweiz unter anderem wegen „Spionage“ zu drei Jahren Haft verurteilt, von denen er über ein Jahr absaß. Der Film ist auch ein weitere Beleg dafür, dass es dringend eines überstaatlichen Schutzes von Whistleblowern bedarf.

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