Kategorie-Archiv: Recherche

„Benennen, blossstellen, ins Gefängnis werfen“

Anas Aremeyaw Anas TED„Benennen, blossstellen, ins Gefängnis werfen“, das ist das Arbeits- und Lebensmotto des Ghanaischen Enthüllungsjournalisten Anas Aremeyaw Anas. Die Neue Züricher Zeitung nennt ihn den „James Bond des afrikanischen Journalismus“.

„Enthüllung“ ist bei Anas ein irreführendes Wort, denn er selbst tritt ausschließlich mit Kapuzenpullis und mit Perlenketten vor dem Gesicht in der Öffentlichkeit auf, um seine Identität zu schützen.

Zwei Jahre lang haben Anas und sein Team 180 Justizbeamte mit versteckter Kamera dabei gefilmt, wie sie sich bestechen liessen. Unter ihnen sind 34 Richter, 12 davon vom obersten ghanesischen Gerichtshof. Anas gab sich als Nahestehender von Angeklagten aus und bot Gegenleistungen für ein mildes Urteil an. Geldbeträge wechseltendie Hand, einmal auch eine Ziege. Continue reading

„Die Zeit“ feiert mit Rückblick Geburtstag

70jahre_zeitMit einer Sonderausgabe feiert die Wochenzeitung „DIe Zeit“ ihren 70. Geburtstag. Eine ganze Ausgabe lang erzählen alte und junge Mitarbeiter/innen des Hamburger Blatts Geschichten aus der Geschichte der traditionsreichen Wochenzeitung. Ex-Chefredakteur und Herausgeber Theo Sommer kommt ebenso zu Wort wie Jungredakteure, die Korrektorin oder die Fotoabteilung. Garniert werden die Feierlichkeiten von zahlreichen Veranstaltungen in Hamburg. Darüber hinaus hat „Die Zeit“ zusammen mit dem Wissenschaftszentrum Berlin und dem Umfrageinstitut eine Umfrage in 3000 deutschen Haushalten über die „Welt, in der wir leben wollen“ angestrengt. Viele Informationen rund um das Jubiläum gibt es auf der Website der Zeit-Verlagsgruppe.

Spiegel Online recherchiert mit Smartphone

SpOn_mobil_2015In einem interessanten journalistischen Experiment sind 15 Reporterinnen und Reporter von Spiegel Online nur mit ihren Smartphones ausgerüstet losgezogen und haben sich am „Fluchtpunkt Deutschland“ umgesehen: Im Video-Newsblog berichten die Journalist/innen live von den Schauplätzen der sogenannten Flüchtlingskrise in Deutschland. Von Neuhaus am Inn, dem Grenzübergang nach Österreich, bis Kiel werden die Ergebnisse direkt gepostet. Flüchtlinge, die Fotos aus der Heimat zeigen, Sprachkurse mit sprechenden Tafelbildern, Demonstrationen eines „Bürgerbündnisses“, Helfer und Grenzbeamte werden gezeigt und interviewt. Von morgens um 7 bis zum letzten Posting um 21:57 Uhr können Leserinnen und Leser auf Spiegel Online einen Tag im „Willkommensland“ Deutschland quasi live miterleben.

Bellingcat: Investigativer Bürgerjournalismus

Recherche-Plattform Bellingcat
Recherche-Plattform Bellingcat

Die Recherche-Plattform „Bellingcat“ wurde in der vergangenen Woche mit dem Hanns Joachim Friedrichs-Preis ausgezeichnet. Bellingcat recherchiert keine eigenen Geschichten, sondern macht Factchecking. Angefangen hat der Gründer der Plattform, Eliot Higgins, als im Jahr 2012 immer mehr Videos aus dem syrischen Bürgerkrieg im Internet kursierten, deren Echtheit in Frage stand. Higgins nutzte im Internet verfügbare Quellen und Tools, um die Echtheit der Kriegsvideos zu verifizieren.

Im Jahr 2014 sammelte Higgins, der selbst nicht von Haus aus Journalist ist, über die Crowdfundingplattform Kickstarter Geld und gründete das Bellingcat-Netzwerk. Die Mitstreiter nennen sich selbst „citizen investigative journalists“, also investigative Bürgerjournalisten.

Bellingcat sorgte für Aufsehen, als sie die Umstände des Absturzes des Flugs MH17 über der Ostukraine recherchierten. Die Factchecker glaubten, im Netz Belege dafür gefunden zu haben, dass ein Buk-Raketensystem einen Tag vor dem Absturz von Russland aus durch die von Rebellen kontrollierten Gebiete gefahren sei; am Tag nach dem Absturz sei das gleiche Fahrzeug wiederum mit einer fehlenden Rakete zurück nach Russland gefahren. Die von Bellingcat genutzten Bildanalysemethoden wurden allerdings auch kritisiert, in Deutschland etwa vom Medienjournalisten Stefan Niggemeier.

Bellingcat nutzt für seine Bildanalysen unter anderem das webbasierte Programm „FotoForensics“.

Anonyme Briefkästen

Foto: M.E./Pixelio
Foto: M.E./Pixelio

In den letzten Jahren sind einige Redaktionen dazu übergegangen, anonyme digitale Briefkästen einzurichten, um Volkes Stimme noch genauer vernehmen und auf diese Weise auf neue Themen stoßen zu können. Denn nicht jeder möchte Dampf ablassen und dabei seinen Namen gedruckt oder im Internet verbreitet sehen. Anonyme Briefkästen funktionieren so, dass die E-Mails über den gesamten Versandweg verschlüsselt sind und auch angehängte Dokumente geheim und sicher in der Redaktion ankommen. Hier einige Redaktionen, die online einen solchen anonymen Briefkasten anbieten:

Handelsblatt Investigative Recherche: https://handelsblatt-recherche.com

MDR: https://mdr-recherche-mailbox.de

Stern Investigativ: https://briefkasten.stern.de

waz Rechercheabteilung: https://upload.derwesten-recherche.org/upload/

Die Zeit: http://www.zeit.de/briefkasten/index.html

Geburtstage bei der Süddeutschen Zeitung

sueddeutsche_70JahreDie Süddeutsche Zeitung hat in dieser Woche gleich mehrfach Grund zu feiern. Die gedruckte Ausgabe feiert ihren 70. Geburtstag: Eines der Schlachtschiffe des investigativen Recherchenjournalismus in Deutschland  erschien am Samstag, dem 6. Oktober 1945 unter der Lizenz Nr. 1 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung Ost zum Preis von 20 Pfennigen. Eine Sonderausgabe, die auch digital erhältlich ist, lässt die bewegte Geschichte Revue passieren. Auch das digitale Angebot der SZ feiert Jubiläum: Vor 20 Jahren ging die erste Internetseite der Münchener Tageszeitung online. Stefan Plöchinger, der stellvertretende Chefredakteur und Onlinechef, hat die kurze Historie von sz.de aufgeschrieben. SZ-Redakteur Johannes Boie denkt darüber nach, wie die digitale Revolution das Zeitungmachen verändert hat: Die Zeitung als zeitlich abgeschlossenes Produkt wird es nie wieder geben. Stattdessen bilden elektronische Medien im Internet den Strom aus Ereignissen als das ab, was er ist: endlos.

Welt investigativ

DieWeltWie viele Verlagshäuser und Redaktionen hat auch die Tageszeitung Die Welt eine eigene Investigativ-Redaktion. Im Welt-Investigativ-Blog werden aber nicht nur die eigenen frisch recherchierten Storys angerissen, sondern auch auf spannende Recherchen aus anderen Redaktionen verwiesen. Der besondere Service: Die „Investigativ-Medienschau“, ein täglicher Newsletter, stellt die interessantesten und wichtigsten Investigativrecherchen aus anderen deutschsprachigen Redaktionen und Sendern zusammen und verlinkt nach Möglichkeit zu ihnen. Auf diese Weise kann man gut den Überblick behalten, was gerade in Sachen investigativer Journalismus auf dem Programm steht.

ARD-„Story“ über Whistleblower

Bildschirmfoto 2015-06-30 um 15.43.50In der Reihe „Die Story im Ersten“ war gerade ein Porträt des deutschen IT-Spezialisten und Whistleblowers Lutz Otte zu sehen, der eine CD_Rom mit den Schweizer Daten deutscher Steuersünder an die Behörden verkauft hat.

Der Mann war ein kleines Rad in einem großen Getriebe – und hat alles mächtig durcheinander gewirbelt. IT-Techniker Lutz Otte arbeitete im Rechenzentrum einer Schweizer Bank. Dort bemerkte er, dass zahlreiche Steuersünder aus Deutschland unter den Bankkunden waren.

Otte wurde in der Schweiz unter anderem wegen „Spionage“ zu drei Jahren Haft verurteilt, von denen er über ein Jahr absaß. Der Film ist auch ein weitere Beleg dafür, dass es dringend eines überstaatlichen Schutzes von Whistleblowern bedarf.

Internationale Rechercheorganisationen

search-engine-464183_1280.jpgEs gibt eine ganze Reihe von internationalen Recherche-Organisationen. Auf ihren Webseiten bieten sie häufig viele Tipps und Tricks rund um die Recherche, Links zu Datensammlungen und weiterführenden Informationen und Kontaktmöglichkeiten für recherchierende JournalistInnen. Zu den bekanntesten zählen:

 

1. Kölner Forum für Journalismuskritik

Forum_JournalismuskritikDie Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) e.V. ruft eine neue Fachtagung ins Leben. Gemeinsam mit dem Deutschlandfunk und der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) veranstaltet die INA das 1. Kölner Forum für Journalismuskritik. Begegnungen und Diskussionen mit Medienschaffenden, Kritikern und Wissenschaftlern: Am Montag, 8.6.2015 ab 11 Uhr im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks in Köln. die Veranstaltung wird von der Rudolf-Augstein-Stiftung unterstützt. In den drei Panels geht es um „Alternativen zum Journalismus“, „Journalismus und Geheimnis“ sowie „Nachrichten im digitalen Zeitalter“. Fragen nach der Qualität von Recherchen werden dabei sicherlich eine große Rolle spielen.

Im Rahmen dieses Forums wird auch erstmalig der „Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik“ vergeben. Der Preis ist mit 6.000,- Euro dotiert.